Gesunde Eier. Ein Inseltag. | Film

 

  screenshots  „gesunde eier. ein inseltag´
  film von maria koehne / dvd erhältlich // film: maria koehne. dvd available
  länge  // length: 02:04:42:05s

Eine Begriffslosigkeit zieht sich durch Maria Koehnes Film wie Ebbe durch das Watt: gesunde eier. ein inseltag ist ein Film, der sich dem Erzählen entzieht – und darin sein poetisches Moment findet. Fast zweieinhalb Stunden lang (2:04:42:05), lässt sich die Kamera treiben, verweilt, blickt, bleibt. Keine Musik, keine Montage, keine Plots: nur Wind, Wellen, Licht. Was Koehne zeigt, ist kein Dokument einer konkreten Insel, sondern vielmehr eine topografisch offene Versuchsanordnung über Wahrnehmung, Dauer und das fast verlorene Sehen.
Eine Kamera steht am Ufer. Minuten vergehen.  Auf der Tonspur: Möwen, ein diffuser Luftdruck, entfernte Wellen. Wieder verschwindet das Bild in scheinbar kontemplativer Ereignislosigkeit – es rührt sich fast nichts und doch sind die Bewegungen konstant: das Licht wechselt, der Wind zieht eine andere Richtung, der Horizont bleibt leer, deutungsoffen. Dieser stille Topos, der eher Fragment als Landschaft ist, funktioniert hier weniger als Projektionsfläche für menschliche Sehnsüchte denn als Sensorium für das, was bleibt, wenn alles Narrativ abgetreten ist.

Dann, unvermittelt, die Stimme eines Bauers. Niemand ist zu sehen, doch seine Worte durchqueren das Tableau wie Störgeräusche im Tonband einer durchinszenierten Gegenwart: „Die Hühner legen gesunde Eier.“ Ein einziger Satz durchbricht das gespannte Schweigen. Keine Erklärung, keine Rahmung. Der Satz steht wie ein Fundstück aus einer anderen Zeit im Raum – seine Prosaischkeit gleicht einer Widerrede gegen jede symbolische Überfrachtung.
Koehne schreibt sich mit dieser Arbeit ein in eine Tradition, die ihre künstlerische Strenge aus der radikalen Verlangsamung speist – James Benning, Sharon Lockhart, oder, in ihrer meteorologischen Klarheit, Tacita Dean lassen grüßen. Doch gesunde eier. ein inseltag ist weniger Versuch eines filmischen Zitats als Ausdruck eines grundsätzlichen Misstrauens gegenüber den Konventionen linearer Narration. Hier wird nicht geführt, erklärt oder emotionalisiert; vielmehr scheint der Film selbst nicht zu wissen, ob er Beobachtung oder Meditation sein möchte – und trifft gerade darin eine Gegenwart, die sich zunehmend jeder finalen Zuschreibung entzieht.

Die Insel – weder näher benannt noch ikonografisch ausgeschlachtet – bleibt schemenhaft, fast konzeptuell. Sie ist der Körper, auf dem Elemente sich abzeichnen: Wind, Licht, Vogelschreie, das Lärmen der Stille. Kein Plot, kein Catharsis-Moment. Jeder Schnitt, den es nicht gibt, jede Einstellung, die fast brutal lange stehen bleibt, wirkt wie eine Renitenz gegenüber einem visuellen System, das Geschwindigkeit mit Bedeutung verwechselt. Das Kino, so scheint Koehne zu sagen, muss wieder lernen, zu warten.

Dabei wird der Film nie didaktisch. Es gibt keinen ökologischen Appell, kein theorielastiges Manifest. Stattdessen bietet Koehne eine filmische Fläche, die sich jeder Teleologie entzieht und sich der Gleichzeitigkeit von Ereignislosigkeit und Intensität stellt. Erzählen – wenn es hier überhaupt noch als solches bezeichnet werden kann – geschieht beinahe subkutan: in den Bewegungen des Grases, im Kräuseln der Flut, im Nebel, der sich langsam lichtet
Was bleibt, ist ein Vorschlag für ein anderes Verhältnis zur Welt. Einer Welt, in der sich Bedeutung nicht durch Narrative auflädt, sondern durch Präsenz. Kohenes Film ist keine Utopie. Eher eine Lakonie des Daseins, eine fragile Wahrnehmungsschulung, in der sich das vermeintlich Banale als strukturell Widerständiges formiert. Die kurze Stimme des Bauern – so beiläufig wie präzise – ist kein Ruf nach Authentizität, sondern verweist auf etwas Tieferliegendes: das Bleiben der Dinge, ohne Anspruch auf Bedeutung.

DVD erhältlich.
Doch der eigentliche Mehrwert bleibt: das wiederholte, verlangsamte Hinsehen – als subversive Geste gegen die Unsichtbarkeit des Offensichtlichen.

 

gesunde eier. ein inseltag
Time, Tide, and a Voice from the Field
Théophile Maria Koehne

There is a particular kind of time that exists only on islands. It accumulates in the folds of windblown grass, lingers in the rhythms of tides, or settles over a stretch of empty beach like a soft film of dust. In gesunde eier. ein inseltag, Maria Koehne’s quietly radical feature-length film (runtime: 2:04:42:05, a temporal decision as deliberate as its framing), the artist captures exactly this elusive temporality. There is no plot to speak of, no characters to follow, and just one spoken sentence in the entire film—an almost accidental moment in which a local farmer walks into earshot and talks about his chickens, which, as he mentions casually, lay healthy eggs.

That lone line becomes the film’s title and its only explicit narrative offering. The rest unfolds through Koehne’s long, utterly present camera takes:

© Maria Koehne

uninterrupted shots of waves lapping the shoreline, a field in the shifting afternoon light, a distant dune dissolving into mist. These scenes are not so much documented as witnessed, in what feels like real time. The camera does not glance; it gazes. And in turn, the viewer is asked not to consume, but to endure—or more precisely, to inhabit—what Koehne sees.

Sound operates here not in support of image, but in quiet resistance to overdetermined realism. The film’s audio is composed almost entirely of ambient nature: wind curling over the microphone, birds with no symbolic function, the steady drag of water against earth. The farmer’s voice—off-mic, non-performative, uninterested in being heard—breaks this quiet only momentarily. Tellingly, there is no response. No dialogue. No “thank you.” He appears and dissolves into the same sonic fabric as the rest: part of the island, not apart from it.
In a moment where much of environmental cinema leans into affect—urgency, catastrophe, awe—Koehne takes a markedly different path. Her resistance lies in duration, and in the way she composes duration into form. ein inseltag is not slow cinema in the Antonioni or Weerasethakul sense; it is something more neutral, more withholding. The aesthetic is not aestheticized. Fields are just fields. Beaches are not metaphors. Time is not dramaturgical—it’s just time. And yet, in its commitment to observational neutrality, the film becomes quietly radical: an insistence on life not shaped by narrative pressure.

There is, in Koehne’s vision, a sharp economy. A refusal of excess, of commentary, of the artist’s hand. If there is a politics here—and there is—it lies in the space the film creates for unscripted systems: weather, labor, agriculture, and the irregular presence of humans on a more-than-human island. Her only speaker, the farmer, is not made into a subject; he is folded into a system of landscape and sound, present and then gone.

Watching gesunde eier. ein inseltag is less like viewing a film and more like stepping into the day itself. It demands a particular slowness—a kind of attention that contemporary image culture rarely rewards. But for those who take the time, Koehne’s work opens a small, precise portal into what it means to simply be in a place. Not to use it, not to read it, not to dramatize it—but to let it unfold. Like the healthy egg: whole, opaque, enough.