Mietenpolitik und Kiezkultur | Dokumentation zu lokaler Kiezkultur, sozialer Kooperation und Gentrifizierung | Fortlaufendes Videoprojekt zu urbaner Kultur und Stadtentwicklung © 2017 Théophile Maria Koehne
Das ongoing Video-Projekt „Mietenpolitik und Kiezkultur“ bietet eine wichtige, dokumentarische Auseinandersetzung mit den komplexen Verflechtungen von lokaler Kultur, Kooperation und den dynamischen Prozessen der Gentrifizierung in Berliner Kiezen. Dese Arbeit lässt sich als eine eindringliche Untersuchung verstehen, die weit über eine simple Bestandsaufnahme hinausgeht und die mikrosozialen Praxen des städtischen Alltags mit stadtpolitischen Fragen der Miet- und Eigentumspolitik verknüpft.
Das Projekt evoziert zentrale Aspekte des diskursiven Feldes um Kulturproduktion und Stadtentwicklung: Es befragt, wie Kiezkultur als lebendige soziale Praxis agiert, die Identitäten formt und gleichzeitig durch ökonomische und politische Zwänge wie Mietenexplosion und Verdrängung unter Druck gerät. Dabei spiegelt sich die Ambivalenz wider, die Literatur und kritische Stadtforschung immer wieder thematisieren: Der „Kiez“ ist nicht nur ein räumliches Gebilde, sondern vor allem ein durch soziale Interaktion entstehendes, „gemachtes“ Gemeinschaftsgefüge, das sowohl historisch als auch aktuell von Machtverhältnissen geprägt ist
Mit seinem dokumentarischen, videobasierten Format ermöglicht das Projekt eine unmittelbare Sichtbarkeit jener Stimmen und Kooperationen, die in den Diskursen um Gentrifizierung häufig marginalisiert werden. Es wird so ein differenziertes Panorama eröffnet, das die oft verkürzte öffentliche Debatte über „Aufwertung“ und „Verdrängung“ erweitert und die politische Relevanz von kultureller Praxis im Kiez betont – gerade auch in Zeiten, in denen Kulturpolitik vielfach einem neoliberalen Raster unterliegt und kulturelle Einrichtungen mit Etatkürzungen konfrontiert sind In analytischer Hinsicht lässt sich das Projekt in Anschluss an theoretische Überlegungen von Lefebvre, Bourdieu und De Certeau positionieren: Es untersucht die Produktion von urbanem Raum als vielschichtigen Prozess, in dem „Kiezkultur“ als Widerstand, Aneignung und Verhandlung gegen die Symbolökonomie und Machtmechanismen der Stadtentwicklung fungieren kann.
Die dokumentierten lokalen Kooperationen illustrieren, wie Kultur im Kiez nicht nur konsumiert, sondern als partizipative Praxis gemeinschaftlicher Selbstermächtigung verstanden wird. Die Ästhetik des Videomaterials trägt ihrerseits zum Anspruch bei: Durch die kontinuierliche Beobachtung entfaltet sich eine Narration nicht nur über Konflikte, sondern auch über solidarische Handlungen und Alltagsstrategien, die der Verdrängung entgegenwirken. Das macht das Projekt zu einem wichtigen Zeugnis für ein Kiezleben, das sich um mehr als bloße Habitation dreht, sondern um soziale Identität und kollektive Resilienz.
Mietenpolitik und Kiezkultur ist ein hochrelevantes, engagiertes und methodisch sorgfältig angelegtes Video-Projekt, das sich in die gegenwärtigen Debatten um Culture-led Gentrification und städtische Subjektivierung einfügt. Seine dokumentarische Herangehensweise schärft den Blick für die Brüche und Kontinuitäten im urbanen Wandlungsprozess und vermeidet zugleich die oft reißerische Rhetorik über Gentrifizierung zugunsten einer fundierten, lokalen Perspektive.
Diese Arbeit ist daher nicht nur künstlerisch und soziologisch interessant, sondern auch ein politisches Statement, das die Vielstimmigkeit und Komplexität von Berliner Kiezkultur in Zeiten der Verdrängung sichtbar macht und zum Nachdenken über solidarische Stadtpolitik anregt.